Unterschiede
Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen der Seite angezeigt.
Beide Seiten, vorherige Überarbeitung Vorherige Überarbeitung Nächste Überarbeitung | Vorherige ÜberarbeitungLetzte ÜberarbeitungBeide Seiten, nächste Überarbeitung | ||
fragenundantworten:fua_ebenbildichkeit_201101 [2013/10/25 08:53] – [G.Fünfte Auslegung: Der Mensch kann eine Beziehung mit Gott haben] annehoehne | fragenundantworten:fua_ebenbildichkeit_201101 [2018/03/19 18:13] – ↷ Page moved from mt18:fragenundantworten:fua_ebenbildichkeit_201101 to fragenundantworten:fua_ebenbildichkeit_201101 anp | ||
---|---|---|---|
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
+ | ====== Über die Ebenbildlichkeit Gottes und des Menschen | ||
+ | M.G. aus B. schrieb: | ||
+ | < | ||
+ | |||
+ | Meine Antwort vom Januar 2011 geriet etwas länger... | ||
+ | ===== I. Einleitung ===== | ||
+ | ==== A. Bibeltext | ||
+ | < | ||
+ | ==== B. Vorgehensweise | ||
+ | Schon in der frühen Kirchengeschichte wird um ein biblisches Verständnis der Formulierung »in/nach dem Bild Gottes, Gott ähnlich« aus 1Mo 1,26f gerungen: Uns liegt bereits von Irenäus (Jahr 126 nach Christus) ein Versuch vor, die Tiefe dieser Formulierung auszuloten; andere setzten die Forschung im Mittelalter und der Reformation fort. | ||
+ | Die Frage nach der Bedeutung dieser Formulierungen (im Folgenden „Ebenbildlichkeit“ genannt) ist offensichtlich nicht mit einem kurzen Lösungssatz beantwortbar. Ich möchte daher im Folgenden die verschiedenen Lösungsvorschläge kurz vorstellen. Ich vermute, dass die Antwort auf unsere Fragestellung eine Teilmenge dieser Vorschläge darstellt. | ||
+ | Die Ebenbildlichkeit kann und sollte keinesfalls verstanden werden als Gleichheit: Der Mensch ist kein Gott und gleicht diesem nicht in dem Sinne, dass er mit Gott identisch wäre. Sicherlich: Sowohl Gott als der Mensch sehen, hören, sprechen. Aber der Mensch stirbt, Gott nicht. Gott kann nicht gesehen werden, der Mensch schon. Der Mensch lügt, Gott nicht, der Mensch sündigt seit Eden andauernd, Gott nie und niemals. Auch wenn man berücksichtigt, | ||
+ | ===== II. Auslegung ===== | ||
+ | ==== A. Kontext ==== | ||
+ | Der Bericht über die Schöpfung des Menschen steht in einem Zusammenhang, | ||
+ | Damit betrachten wir mehr als nur eine dogmatische Frage! Beides, Ehrung (wie Gott uns ehrt) und Begabung (wie Gott uns begabt), sollen näher untersucht werden, damit sie uns zur Anbetung und zur Lebensweise anhalten, wie sie Gott für uns vorgesehen hat. | ||
+ | ==== B. Eine Analyse: Bedeutung des Wortes „Bild“ ==== | ||
+ | Das hebräische Wort für „[Eben]bild” kommt in der Bibel sehr selten vor. Seine sprachliche Herkunft/ | ||
+ | Es kommt 17-mal vor, und 10-mal bezieht es sich auf ein physisches Ebenbild, also eine Ähnlichkeit im äußeren Aussehen, z.B. Bilder von Beulen/ | ||
+ | ==== C. Erste Auslegungsmöglichkeit: | ||
+ | Der behandelte Text redet dreimal davon, dass wir nach dem „Bild” Gottes geschaffen sind (im Folgenden: „Ebenbildlichkeit“ genannt). Eine weitere Beschreibung ist, dass wir Gott “ähnlich” geschaffen sind (in diesem Abschnitt abgrenzend „Ähnlichkeit“ genannt). | ||
+ | Die erste Auslegung sieht diese beiden Beschreibungen als eigenständig an, anstatt sie als unterschiedliche Formulierung für denselben Sachverhalt zu deuten. Diese traditionelle christliche Auslegung (Irenäus, ca. 180 n.Chr.) versteht unter Ebenbildlichkeit und Ähnlichkeit zwei unterschiedliche Aspekte der Natur des Menschen: | ||
+ | * Die Ebenbildlichkeit bezieht sich auf die natürlichen Qualitäten im Menschen (Vernunft, Persönlichkeit, | ||
+ | * Die Ähnlichkeit hingegen bezieht sich auf übernatürliche Gaben, z.B. ethische. | ||
+ | Während diese Unterscheidungen für die Wortverkündigung sicherlich hilfreich sind, drücken sie nicht wirklich die originale Bedeutung aus. Liest man 1Mo 5,3, stellt man fest, dass dort die beiden Begriffe austauschbar verwendet werden, und dem Sprachgebrauch damit eben nicht derart voneinander abgegrenzt werden können, wie es die erste Auslegung vornimmt. Das „uns ähnlich” ist einfach eine andere Ausdrucksform für „Bild”. Demzufolge wird diese Trennung in den folgenden Auslegungen nicht vorgenommen. | ||
+ | ==== D. Zweite Auslegung: Gott vererbt geistige und geistliche Fähigkeiten an den Menschen ==== | ||
+ | Die Ebenbildlichkeit beschreibt geistige und geistliche Fähigkeiten, | ||
+ | Diese Deutung hat einen gewissen Charme und ist durchaus denkbar. Aufgrund der geringen Anzahl von Bibelstellen zu diesem Thema ist es allerdings nicht möglich, diese Vorschläge nachzuweisen (weder über Verifizierung noch über Falsifizierung). Jedenfalls besteht die Gefahr, dass der Ausleger seine eigenen Werte in den Text hineinliest, | ||
+ | ==== E. Dritte Auslegung: Der Mensch sieht so aus wie Gott ==== | ||
+ | Diese Auslegung deutet die Ebenbildlichkeit nicht geistig oder geistlich, sondern physisch. Das wird dadurch gestützt, dass dies auch die gängigste Bedeutung des Wortes ist: Ein Bild sieht aus wie das Original, hat aber nicht seine inneren Werte und Potenziale. | ||
+ | In 1Mo 5,3 wird von der Ebenbildlichkeit Adams und Seths gesprochen und das bedeutet natürlicherweise, | ||
+ | Einige Ausleger sagen, dass genau das die richtige Deutung sei, andere hingegen halten sie für unmöglich. | ||
+ | Der Bibelleser wird viele Bibelstellen auflisten können, in denen Gott scheinbar bestimmte physische Eigenschaften zugeschrieben werden und hiermit scheinbar diese Auslegung gestützt werden kann: | ||
+ | * [Hi 40,9] Oder hast du einen Arm wie Gott, und donnerst du mit einer Stimme wie er? | ||
+ | * [Ps 34,16] Die Augen des HERRN <sind gerichtet> | ||
+ | Besteht die Ebenbildlichkeit also darin, dass er dem Menschen jene körperlichen Attribute gab, die er selbst hat? Hat also der Mensch einen Arm, zwei Augen und Ohren, weil Gott diese hat? | ||
+ | Diese zunächst naheliegende Deutung wird schwierig aufrecht zu erhalten sein, wenn man das biblische Zeugnis berücksichtigt, | ||
+ | Die Attraktivität dieser sympathischen Auslegung leidet zusätzlich daran, dass Gott hier ausdrücklich Mann und Frau nach seinem Bild schafft: Sowohl die sichtbaren als auch die verborgenen körperlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau stellen ein Problem für diese Auslegung dar. Um es auf den Punkt zu bringen: Wenn wir Gott eines Tages sehen können: Sehen wir dann eine Frau oder einen Mann? | ||
+ | ==== F. Vierte Auslegung: Der Mensch repräsentiert Gott, er wird sein Vertreter ==== | ||
+ | Diese Auslegung betrachtet nicht die übertragenen Eigenschaften, | ||
+ | »Wenn ich anschaue deine Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der Mensch, dass du sein gedenkst, und des Menschen Sohn, dass du dich um ihn kümmerst? Denn du hast ihn wenig geringer gemacht als Engel, mit Herrlichkeit und Pracht krönst du ihn. Du machst ihn zum Herrscher über die Werke deiner Hände; alles hast du unter seine Füße gestellt: Schafe und Rinder allesamt und auch die Tiere des Feldes.« | ||
+ | Der Mensch muss aufgrund seiner Ebenbildlichkeit so regieren, wie Gott es tut – als Gottes Stellvertreter muss er dies zum Wohle der Schöpfung tun. Gott ermächtigt die Menschen, die Ressourcen der Welt zu nutzen, aber gibt keine Lizenz, die Schöpfung zu missbrauchen. Daher hat niemand in Führungsposition (der Regierende, der Ehemann, die Eltern, der Arbeitgeber usw.) eine Macht aus sich selbst – es ist nur abgeleitete Autorität. | ||
+ | Die Ebenbildlichkeit macht den Menschen also zu Gottes Repräsentanten auf Erden. Eine solche Sichtweise war eine übliche orientale Sichtweise hinsichtlich ihrer Könige. Ägyptische und assyrische Texte beschreiben ihre Könige als „Ebenbild Gottes“ – als deren Stellvertreter und damit Bevollmächtigte. Sie durften regieren und der Rest der Schöpfung war ihnen untergeordnet, | ||
+ | Eine weitere Überlegung ist, dass ganz oft das Bild als ein Repräsentant des Originals verstanden wurde: Götterbilder (Bilder und Statuen) wurden als Stellvertreter des eigentlichen Gottes verstanden. So baute sich Israel bekanntlich das Goldene Kalb aus dem Schmuck, den Aaron einsammelte. Sie fielen vor dem daraus gegossenen Bildnis nieder und beteten es an als den Gott, der sie aus Ägypten herausgeführt habe. Natürlich war den Israeliten klar, dass sie nicht durch die Menge eingeschmolzener Goldringe aus Ägypten herausgeführt wurden : dieses Kalb stand viel mehr als Repräsentant für jenen Gott, den sie anbeten wollten. | ||
+ | Da in der Schriftauslegung der Kontext immer entscheidend ist, beachten wir, was direkt bei der behandelten Schriftstelle steht: »Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen in unserm Bild, uns ähnlich! Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über alle kriechenden Tiere, die auf der Erde kriechen!« (1Mo 1, | ||
+ | Diese Auslegung wird auch durch Vers 28 des Schöpfungsberichtes aus 1Mo 1 bestätigt: »Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt die Erde, « - dieser Segen Gottes entspricht bis hierher wörtlich dem Segen, den Jahwe über den Fischen und Vögeln aussprach (Vers 22). Danach geht der Segen aber weiter und schließt auch die übrigen Tiere mit ein: »und macht sie <die Erde> < | ||
+ | ==== G. Fünfte Auslegung: Der Mensch kann eine Beziehung mit Gott haben ==== | ||
+ | Vertreter dieser Auslegung interpretieren die Ebenbildlichkeit als Fähigkeit des Menschen, mit Gott in Beziehung zu stehen. Der Mensch kann eine Beziehung zu Gott haben, mit ihm reden, ihn hören und mit ihm Bünde schließen bzw. sich diesen unterwerfen. Diese Sicht wurde besonders von dem deutschen Theologen Karl Barth vertreten. Damit bezieht sich die Formulierung „in unserem Bild” nicht auf das Ergebnis, also den Menschen, sondern auf die Tätigkeit beim Erschaffen: Hier käme eine spezielle Form der Kreativität zum Tragen, die den Menschen in eine einzigartige Beziehung zu seinem Schöpfer versetzt und daher ihn ermöglicht, | ||
+ | Diese Auslegung ist zwar etwas ungewohnt und wirkt kompliziert, | ||
+ | ===== III. Ergebnis ===== | ||
+ | ==== A. Zusammenfassung | ||
+ | Die Auslegungen zwei und vier bieten meines Erachtens besonders gute Beiträge für ein Verständnis des Themas: Indem Gott sich entschied, den Menschen nach seinem Bild und ihm ähnlich zu schaffen, machte er ihn zum Vizeregenten auf Erden. | ||
+ | Die von mir aufgestellte These, die sich nicht expressiv verbis aus dem Bibeltext ergibt, meines Erachtens aber gut von der Schrift gedeckt ist, lautet: Gott gibt nicht nur eine Aufgabe, sondern schenkt damit verbunden auch die erforderliche Ausrüstung. Diese Ausrüstung besteht in mannigfaltigen Fähigkeiten, | ||
+ | ==== B. Die Gaben können auch missbraucht werden ==== | ||
+ | Der Mensch hat ebenso die Fähigkeit, ethische Entscheidungen zu treffen; die Existenz des Gewissens ist ein wichtiger Beweis hierfür (Röm 2,15). Hiermit treten wir in die große Problematik ein, die in 1Mose 3 –direkt nach den Schöpfungsberichten! – ihren Anfang nimmt: Der Mensch kann seine Fähigkeiten auch zum Bösen einsetzen. Wie viel Leid wurde über Menschen und die Welt gebracht, indem der Mensch die o.g. Fähigkeiten „abwägendes Durchdenken, | ||
+ | Erwägen wir, wie viele Verbrechen auf persönlicher und nationaler Ebene nicht möglich wären, wenn Gott dem Menschen die drei genannten Fähigkeiten nicht mitgegeben hätte. Damit soll hier keineswegs Gott eine verursachende Schuld zugewiesen werden; das sei ferne! Vielmehr wird die Verdorbenheit des Menschen besonders deutlich. | ||
+ | Aus der Aufgabe, als Repräsentanten zu fungieren, folgert aber auch die Fähigkeit, mit Gott in Beziehung zu stehen und zu treten. Beachten wir hierbei aber, dass die Ebenbildlichkeit keine Errungenschaft des Menschen war, sondern dass Gott dies für sich so beschlossen hat; Stolz ist demnach unangebracht. | ||
+ | Eine ethische Auswirkung der Ebenbildlichkeit soll hier nur kurz erwähnt werden: Weil der Mensch Gottes Ebenbild ist, ist jeder Anschlag auf einen Menschen ein Angriff auf Gott und zieht höchste Strafen nach sich (siehe Mordverbote im Allgemeinen, | ||
+ | ==== C. Ist damit jeder Mensch ein Ebenbild Gottes – auch heute? ==== | ||
+ | Bedenken wir, dass die Ebenbildlichkeit am sechsten Schöpfungstag bestand. Einige Zeit später, wir wissen nicht, ob es sich um Tage, Wochen oder gar Jahre handelt, entschied sich der Mensch (Mann und Frau), der lügnerischen Versuchung der Schlange zu folgen: „ihr werdet sein wie Gott, erkennend Gutes wie Böses“ (1Mo 3,5). Hierzu wäre ein weiterer Beitrag erforderlich, | ||
+ | Diesen Weg wollen wir hier nicht beschreiten, | ||
+ | Das adelt den Menschen, fordert ihn aber auch und stellt ihn in Verantwortung. Denn trotz dieser Ähnlichkeit und Ebenbildlichkeit ist der Mensch doch so weit von Gott entfernt. Die einzige wirkliche Gottgleichheit finden wir in Jesus Christus, der von sich sagt: »Wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat« (Gott-Vater, | ||
+ | Gott zeigt seinen Anspruch an den Menschen auf, indem er ihn ebenbildlich schafft. Wie das Antlitz des Königs auf der Münze drückt Gott seiner Schöpfung seine Ebenbildlichkeit auf und drückt damit seinen Anspruch aus. Die Münze gehört dem König. Der Mensch gehört Gott. | ||
+ | ===== IV. Verwendete Literatur ===== | ||
+ | * D. A. Carson, New Bible Commentary : 21st Century Edition, 4th ed. (Leicester, England; Downers Grove, Ill., USA: Inter-Varsity Press, 1994), Ge 1:24–31. | ||
+ | * Matthew Henry, Matthew Henry' | ||
+ | * K. A. Mathews, vol. 1A, Genesis 1-11:26, electronic ed., Logos Library System; The New American Commentary (Nashville: Broadman & Holman Publishers, 2001), 164. | ||
+ | * John H. Sailhamer, " | ||
+ | * Gordon J. Wenham, vol. 1, Word Biblical Commentary : Genesis 1-15, Word Biblical Commentary (Dallas: Word, Incorporated, | ||
+ | * H. L. Willmington, | ||