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Über Gebetsgemeinschaften und Mt 18,20

Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte. (Matthäus 18,20)

Ein Bruder übernahm erstmals die Leitung der gemeindlichen Gebetsstunde. Hierbei kam u.a. die Überlegung auf, ob der obige Vers dazu eine besondere Motivation darstellen kann. Das Engagement des Bruders ist lobenswert. Die folgenden Zeilen stellen aber in Frage, ob der Herr Jesus dieses Wort im Hinblick auf unsere Gebetsstunden sprach.

Meiner tiefen Überzeugung nach muss Mt 18,20 (wie jeder Bibeltext außerhalb einer Spruchsammlung) im Kontext gelesen und ausgelegt werden. Hierbei ist kritisch zu beobachten, dass die Christenheit den Vers allzu oft aus dem Zusammenhang reißt – und sich so eine Auslegung des Verses bildet, die dem Kontext nicht gerecht wird.

Die Bibel lehrt nirgends, dass gemeinschaftliches Gebet effizienter ist als das Gebet eines Einzelnen. Im Gegenteil: Unser Herr selbst zog sich regelmäßig allein zum Gebet zurück. Selbst bei seiner schlimmen Nacht vor der Kreuzigung betete er tatsächlich alleine. Der Seelsorger Jakobus erklärt (5,16f), dass das Gebet des Gerechten viel vermag – und bezieht sich auf das Gebet eines Einzelnen (Elia). Bereits das Gebet des Einzelnen, demütig und ohne Ermatten (s. Lk 18,1ff) praktiziert, ist wirksam.

Damit spreche ich keineswegs gegen Gebetsgemeinschaft, die ebenso biblisch bezeugt ist und Gott gefällt; ich wende mich nur gegen falsche Vorstellungen/Erwartungen: „Je mehr Menschen, desto wirksamer.“ Das ist -mit Verlaub- Unsinn.

Diese Verheißung, die uns unser Herr in Mt 18,20 gibt, ist etwas, auf das ich mich immer verlassen habe – wenn ich in Situationen gehen musste, die dem Kontext des Verses entsprechen: Ich habe in den Jahren einige Gespräche gehabt, in denen ich Menschen der Sünde überführen musste. Und da war ich nie allein: Da, wo ich Reinheit des Einzelnen und der Gemeinde suchte, wusste ich nicht nur den „Vater, der in den Himmeln ist“ an meiner Seite, sondern auch den Herrn Jesus „in der Mitte“ derer, mit denen ich dieses Ziel anstrebte.

Es ist hier nicht der Ort, den gesamten Text auszulegen oder auf sprachliche Herausforderungen einzugehen. Ich habe Anfang des Jahres anderthalb Tage lang mit jungen Erwachsenen über Mt. 18 gearbeitet (kurze Zusammenfassung) – und trotzdem nicht alles behandelt.

Aber: der Text bezieht sich IMHO auf das Streben nach Reinheit/Heiligung (das IST das Thema von ganz Mt 18). Ob es nun das Gebet der Leute ist, die nach Mt 18, 16 zum sündigenden Bruder hingehen (die sprachliche Parallele „zwei oder drei“, Verse 16+19, wird häufig übersehen) oder ob es das gemeinsame Gebet der Gemeinde ist, die rund um den vorletzten Schritt heilender Gemeindekorrektur (=sog. Gemeindeausschluss) gemeinsam beten – immer geht es um einen der beiden Punkte:

Der Sünder möge einsehen und Buße tun. Tut er dies im Einklang mit dem Wort Gottes, dann darf der Gläubige/die Gemeinde ihm ermutigend zusprechen: Deine Sünden sind gelöst – sie sind Dir vergeben –nicht nur auf Erden, sondern auch im Himmel ist Dir vergeben. Dieser Zuspruch der Gnade Gottes ist ein enorm wichtiger Akt und wir (ich auch) kommen dem viel zu schwach nach! Und dabei können wir dies im Namen des Vaters sagen und den Erlöser Jesus Christus in unserer Mitte wissen. Die Christen (nach Mt. 18) suchen die Reinheit der Gemeinde (so wie ihr Vater im Himmel). Und wenn sie um Vergebung beten, dann wird diese Vergebung vom Vater durch den Herrn Jesus gewährt. (Ich denke, dass es das ist, was hier in Mt 18,20 gemeint ist, nicht „jeder Wunsch, den man zu zweit äußert, wird erfüllt“).

Sieht der Sünder nicht ein, dann müssen wir als Hingehende und zuletzt als Gemeinde das auch klar sagen: „Gebunden! Dein Bekenntnis fehlt oder ist nicht echt, im Himmel bist Du noch an diese Sünde gebunden – und wir sprechen im Namen des Vaters und wissen den Erlöser in unserer Mitte und beten um Reinheit – für Dich, aber auch für die Gemeinde“. Ich finde diese Verheißung einfach enorm großartig: Da, wo wir einen menschlich ganz schweren Schritt gehen müssen (ich selbst musste eine Frau, die mir als Hirte sehr am Herzen lag, aus der Gemeinde ausschließen lassen, das war enorm belastend!), da verheißt uns Jesus: Ich bin dabei! Ihr handelt in meinem Willen, ich stehe dazu – und mein Vater auch.

Lieber Bruder, ich weiß, Du bist ein Denker und wirst eventuell die eine oder andere Lücke in der Argumentation sehen. Ich selbst sehe noch Punkte, an denen ich forschen will – da ist noch mehr Fleisch…. Aber was ich schreibe, ist in Kürze mein aktueller Stand der Überlegung, an der ich Dich teilhaben lassen wollte.

Was Deine Gedanken über unsere Gebetszuversicht anbetrifft: Ich denke, in meinem/unserem Gebetsleben erkennen wir am ehesten die Diskrepanz zwischen „Bekenntnis“ und „Glaubenspraxis“. Und das ist meist deprimierend. Ich persönlich lebe meinen Glauben zum Beispiel sehr auf Grundlage des Dogmas der Souveränität Gottes (unter Einbezug der Verantwortung des Menschen). Aber gerade eine solche Glaubensrichtung müsste mich ins Gebet treiben, oder? Und da merke ich häufig, dass ich immer noch hinterherhinke. Blöd. Aber das bringe ich dann meinem liebenden Vater, er weiß das, tröstet mich, nimmt mich an, sagt mir, dass er größer ist als mein Unglaube (denn das ist es schlussendlich) und Dinge getan hat, für die ich nicht gebetet habe – denn er ist der Souverän. Das aber treibt mich nicht in die Passivität, sondern erfreut mein Herz und „schwuppt“ mich förmlich in die nächste Stille Zeit.

Dein Bruder Ansgar

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