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Rechenschaft / Accountability Contract

Unter einem AC verstehen wir eine Methode, nach der sich Glaubensgeschwister gegenseitig Rechenschaft ablegen. Freiwillig. Die Idee ist, dass wir übereinkommen, uns regelmäßig (meist wöchentlich) offenzulegen, wie unser Heiligungsleben der letzten Woche aussah. Hierzu dienen Fragen, die vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten sind.

Meine Empfehlung für reife Christen ist: Jeder Partner schreibt nur seine eigenen Problembereiche auf - eben jene Baustellen, an denen er sich für besonders gefährdet sieht. Es geht nicht um ein vollständiges Zeugnis über das Leben (man sollte also nicht unbedingt jene Punkte abfragen, die weniger gefährdet sind). Es geht darum, dass der Partner rechtzeitig erfährt, wenn ich mich wieder in meine „Lieblingssünden“ verstricke… Ja, allein das Aufstellen und Übersenden dieser Liste sind unangenehm, demütigend und peinlich. Aber genau hierin besteht der erste wichtige Schritt des Paktes. Und ein wichtiger Schritt zu geistlichen Demut. Wer sagt, dass er ohne Sünde ist, verführt sich selbst und die Wahrheit ist nicht in ihm (1Joh 1,8).

Einer meiner AC-Partner hatte die Antworten nicht in Volltext gegeben, sondern hatte sich selbst eine Bewertungsmatrix ausgedacht, mit der er jedes Thema beurteilte: 4 Punkte war „okay (so wie er es von sich vor Gott erwartet), „3“ und „2“ bedeuteten: hier war es schlechter, „5“ und „6“ besser als erwartet. Das wichtigste war der klare Auftrag: Wenn er zweimal eine 2 oder viermal hintereinander eine 3 hatte (bei wöchentlichen Berichten)- dann sollte ich ihm auf die Finger klopfen.

Es ist meines Erachtens wichtig, dass man über folgende Fragen nachdenkt und das Ergebnis schriftlich festlegt:

  • Welche Bereiche will (muss) ich regelmäßig überprüfen - wo besteht die Gefahr, dass ich erliege?
  • Wie will ich das eigentlich bewerten? Ist ein 2-Sekunden-Blick auf die „falsche“ Website schon ein Problem? Sind es 20 Sekunden? 200? - Hier sollte man sich nicht herauswinden und sagen, dass man das ja nicht so genau festlegen könne (womit du eigentlich Recht hast). Beachte: Es geht nicht um eine Prüfung, wo der Paktpartner nachher über „bestanden“ und „Nicht bestanden“ entscheidet. Er beurteilt überhaupt nicht - sondern du beurteilst dich selbst. Sein Job besteht (neben Gebet und Ermutigung) darin, dich anzumahnen, falls du mit deinem Bericht in Verzug bist - und den nächsten Punkt treu einzuhalten:
  • Was soll Dein Partner machen, wenn du häufiger erliegst? Wenn Du in Punkt 3 dauernd unterirdisch antwortest (ich drücke mich bewusst sehr oberflächlich aus). Was darf er dann tun? Darf er z.B. nach dreimaligem Verstoß gegen sexuelle Unreinheit Deinen Ehepartner ansprechen? [dies ist hier nur eine Verdeutlichung des Punktes, kein konkreter Vorschlag!]

Ist die Teilnahme an einem Rechenschaftsprogramm eine Pflicht des Christen?

Nein, es steht nicht in der Schrift und daher kann man eine solche Pflicht niemanden auferlegen. Ich vertrete hier auch keine Beichtpflicht wie sie z.B. in der römisch-katholischen Kirche gelehrt und praktiziert wird. Detaillierte Hilfe zur katholischen Beichtpraxis findet sich in Johannes Calvin. Institutio, Buch III Kapitel 4

Warum sollte man freiwillig an einem Rechenschaftspakt teilnehmen?

Ich selbst war viele Jahre Partner eines bzw. mehrerer Rechenschaftsbünde und meine, die Vor- und Nachteile zu kennen. Ergebnis: Ich empfehle es. Es kann eine Hilfe sein, eine Art ‚Sicherungsvorrichtung‘. Man berichtet dem Partner regelmäßig, ob man den eigenen Ansprüchen im Hinblick auf Gott gerecht wird (diese sollten sich schlussendlich vom Ethos Gottes ableiten). Gibt man nicht pünktlich seinen ‚Bericht‘ ab, kommt der Bruder/die Schwester und klopft einem auf die Finger. Nicht, weil er zu Gemeindepolizei gehört, sondern weil ich ihn selbst darum gebeten habe. Das Prinzip „rechtzeitige Freiwiligkeit“ ist also Trumpf.

Verhindert die Teilnahme an einem Rechenschaftsprogramm das Sündigen?

Ach, wenn es doch so einfach wäre, diese üble Last loszuwerden! Ein Bruder, den ich sehr achte, hat dies tatsächlich behauptet: „Die Tatsache, dass ich meinem Rechenschaftspartner später offenlegen muss, was ich getan habe, hindert mich, es überhaupt erst zu tun.“ Ich freue mich für ihn - bei mir hat das aber selten diese Auswirkung gehabt :-(. Meines Erachtens schreibt Calvin zurecht:

Das sollte wahrhaftig ein großer Fortschritt sein, wenn wir zwar aus Scham vor einem einzigen Menschen aufhören zu sündigen, uns aber nicht scheuten, Gott zum Zeugen unseres bösen Gewissens zu haben. Calvin, Institutio III,4,19

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  • Zuletzt geändert: 2022/12/13 19:13
  • von anp